Liebe Leserinnen und Leser,
die anfängliche Aufregung über die Überwachung durch PRISM hat sich – sofern vorhanden – schnell gelegt. Einige standhafte Kolumnisten lassen es sich aber nicht nehmen, darüber nachzudenken, wie es künftig weitergehen soll. Einer von ihnen ist der Krypto-Experte Bruce Schneier, der von vielen Medien zu einer Stellungnahme aufgefordert wurde und entsprechend oft in Artikeln seine Meinung vertreten hat.
Im englischen Guardian forderte Schneier Anfang September einen kompletten Neuanfang: Man müsse die Herrschaft über das Internet zurückgewinnen. Mit "man" ist dabei die Gemeinschaft von Technikern gemeint, die die technischen Grundlagen für die Internet-Technologie legen. Sie ruft Schneier auf, in Zukunft mehr Widerstand zu leisten [1] .
Zum ersten sollen sie an die Öffentlichkeit gehen, wenn sie von der NSA und anderen zur Kooperation aufgefordert werden, um Backdoors in Router oder Cloud-Systeme einzubauen. Fünf neue Whistleblower konnte Schneier bisher gewinnen, er will es auf mindestens fünfzig bringen.
Zweitens soll das Internet technisch so umstrukturiert werden, dass die Überwachung im bisherigen Stil schwieriger wird. Mehr offene Standards sollen dabei dafür sorgen, dass die NSA es künftig schwerer hat, im Geheimen zu operieren und etwa Backdoors in proprietäre Systeme einzuschleusen.
Schließlich muss nach Schneiers Ansicht Druck auf die (US-)Regierung ausgeübt werden, die sich als schlechter Hüter des Internet erwiesen habe. Eine Neustrukturierung betrifft auch die Leitungsgremien des Internet selbst. Die ITU etwa habe sich in der Vergangenheit dafür als ungeeignet erwiesen und sich nur zum Handlanger totalitärer Staaten gemacht.
Wie dies, vor allem der zweite und der dritte Punkt, realisiert werden soll, bleibt eine offene Frage. Der Historiker Andrew Russell hat sogar eine Erwiderung auf Schneiers Forderung verfasst, in der er alle Vorstellungen des Internet als freien oder demokratischen Raum als reine Utopien entlarvt [2] . In Wirklichkeit habe das Internet – das schließlich von Anfang an ein Produkt des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums war – nie die Wunschvorstellungen der "kalifornischen Ideologie" erfüllen können. PRISM habe letztlich nur eine Seifenblase zum Platzen gebracht.
Infos
IBM erweitert sein Security-Portfolio durch den Zukauf von Resilient Systems.