Twitter als Modell moderner Kommunikation – das ist schon deshalb zweifelhaft, weil es, wie gesagt, in der Regel gar nicht um Nachrichten geht (im Sinne einer objektiven Darstellung verifizierter Sachverhalte). Stattdessen drehen sich die Tweets um das Gegenteil, um unbestätigte, subjektive Meinungsäußerungen. Wenn überhaupt. Denn was der durchschnittliche Twitterer produziert, das ist viel eher geistiger Ballaststoff, der bei gesunder Peristaltik des Gehirns alsbald unverdaut wieder ausgeschieden wird.
Wo es keine privaten Belanglosigkeiten sind ("Setze gerade Nudelwasser auf, was macht ihr so?"), da ist es Marketinggewäsch ("We're giving away an #iPad2 at #XYZworld, booth 1118."), sind es Werbebotschaften im Nachrichtenmantel, ist es das Lärmen bestellter Claqueure. Und wenn es das nicht ist, dann sind es zahllose URL-Appetizer, die der propagierten Verknappung auf das Wesentliche Hohn sprechen und Unbedarfte in die uferlosen Weiten des Web zu locken versuchen. Es mag das Twittern in anderen Weltgegenden andere Funktionen haben, es mag sogar hierzulande hin und wieder Nützliches produzieren. Aber lohnt die Erschließung angesichts der gigantischen Abraumberge aus Infomüll?
Allerdings: Nutzen ist von Natur aus subjektiv. Offenbar geht es den Twitteren in erster Linie gar nicht um das Klügerwerden, den Wissenszuwachs oder Erkenntnisgewinn, sondern um diverse kostenfreie Zusatznutzen: die vorgebliche Anerkennung durch zahlreiche Follower, eine Arznei gegen Langeweile, das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe, die Faszination der Technik, die Befriedigung des Spieltriebs oder gar einer Sucht oder ein vages Gefühl der Verbundenheit (für das der bombastische Terminus "Ambient Intimacy" erfunden wurde).
Daran ist weiter nichts Verwerfliches. Es stellt sich lediglich die Frage nach der Bilanz: Wer twittert, ist gezwungen, limitierte Ressourcen einzusetzen – Zeit etwa oder Aufmerksamkeit. Welchen Ertrag werfen sie ab?
Wir haben sicher genug Informationen – vielleicht aber nicht immer die richtigen. Quantität kann der Qualität dabei durchaus abträglich sein. Die permanente Ablenkung durch nichtige Messages macht aus uns keine informierteren Menschen. Womöglich schon eher im Gegenteil: Bereits 2005 fanden Forscher am Psychiatrischen Institut des King's College, London, in einer von HP beauftragten Studie heraus, dass bei exzessiver elektronischer Kommunikation der IQ um durchschnittlich zehn Punkte sinkt. Man kann sich also im wahrsten Sinn des Wortes blöde informieren.
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Infos
Die Firma Twitter hat einige der MySQL-Erweiterungen freigegeben, mit denen sie als einer der größten MySQL-Anwender weltweit die Skalierbarkeit der Datrenbank zunächst für den eigenen Bedarf verbesserte.
Killfile
Mittwoch, 20. Juli 2011 20:36:39